Die Entstehungsgeschichte
Alle Berichte über den Lotus Omega empfinde ich als zu wenig detailliert und durch die Kürze teils Sinn entstellend. Der folgende Auszug stammt aus dem limitierten Buch „Lotus Carlton“ von Ian Adcock, das 1991 in Großbritannien im Osprey Verlag unter der ISBN 1-85532-185-8 erschienen ist. Mike Kimberley, damals Chef bei Lotus, sagt im Vorwort des Buches über Ian Adcock, dass er beinahe ein Teil des Lotus Omega Produktionsteams war.
Historie
Bob Eaton, ein Autonarr und damals Chef der GM Advanced Engineering Abteilung, kaufte 1986 58 Prozent der Sportwagenschmiede Lotus für GM auf, die in den letzten 3 Jahren bereits Entwicklungsaufträge für GM erledigten. Kurze Zeit später verkaufte Toyota seine Anteile und Lotus wurde eine Tochter von GM.
Mit der Übernahme kamen Gerüchte über einen Lotus Kadett oder einen Lotus Ascona auf. Kadett und Ascona wurden wegen dem bevorstehenden Ende der Modellreihe abgelehnt, aber Vectra und Calibra waren noch nicht offiziell vorgestellt. Das führte zum Omega/Carlton bzw. dem Senator. Erste Gespräche über die Synergien zwischen Lotus und GM fanden 1987 in Zürich zwischen Mike Kimberley, Chef bei Lotus, und Jack Smith jr., damaliger Präsident von GM Europe (GME), statt bei dem ein Lotus Senator vorgeschlagen wurde.
Auch wurden in 1987 Pläne für eine Turbo betriebene Version des 3 Liter 12V für den Opel Senator vom Opel Entwicklungszentrum (ITC) in Rüsselsheim, geleitet von Fritz Lohr, erstellt. Ein neuer 3 Liter 24V Sechszylindermotor zur Verwendung in Omega und Senator befand sich noch in der Entwicklung, der sehr einfach auf 3,6 oder 4 Liter abgeändert werden konnte.
Fahrzeugdesign
Als Bob Eaton 1988 Präsident von GME wird, bringt er das Projekt mit Opels Design Chef Wayne Cherry ins Rollen. Es sollte etwas besonderes entstehen, ein hochperformanter Imageträger. Die frühen Designstudien des ITC zeigten eine radikale Optik. Ein speziell aufgebauter Omega 3000 mit edler Innenausstattung wird von Wayne Cherry’s Team gebaut, eine Kombination aus zwei Konzepten der Super Saloon Senator begann sich zu entwickeln. Bisher noch ohne Beteiligung von Lotus.
Die ersten Präsentationen von Mike Kimberley im GM Europa Strategieboard zeigten einen Lotus Senator executive super-express. Im Gegensatz zu den Opel Designstudien zeigt das Lotus Designteam ein unauffälliges Auto mit sehr bescheidenen Karosserieanpassungen. Bis September 1988 wurde eine technische Machbarkeitsstudie erstellt. Der Antrieb basierte auf einem 3 Liter 24 Ventilmotor ausgestattet mit einem Kompressor und einem Turbolader, beide mit einem wassergekühlten Ladeluftkühler bekannt aus dem Lotus Esprit Turbo SE. Angestrebte Leistung 360 PS und 508 Nm. Budget für das zweijährige Entwicklungsprogramm war 4,9 Mio Pfund, bevor das erste Auto an einen Kunden verkauft werden konnte. 2000 Einheiten pro Jahr sollten gefertigt werden.
Neben allen technischen Realisierungsdetails war der Zeitplan sehr eng gesteckt. Bob Eaton hatte bereits eine Autovorstellung für den Genfer Salon im März 1989 und Produktionsstart 12 Monate später angekündigt. Bob Eaton und Mike Kimberley wollten dieses Auto mehr als alle anderen. Bei einem Mittagessen von Eaton, Lohr und Sullivan in GMs Hauptquartier in Detroit wurde Lohr gefragt, was er von der Idee des Lotus Senator hält. Er war für das Projekt und schlug vor mit Lotus ins Gespräch zu kommen. Opel und Lotus sprachen es nicht aus, aber es wurde deutlich, dass Lotus bei einer Realisierung dieses Projektes technische und physische Hilfe des ITCs benötigt. Kurz danach sendete Fritz Lohr eine Nachricht mit diversen Vorschlägen für einen anderen Antrieb an Bob Eaton, mehrheitlich auf Basis des neu entwickelten 3 Liter 24V Sechszylindermotors in 3.0, 3.6, 3.9 bzw. 4.0 Liter Varianten als Sauger, Kompressor und Bi-Turbo. Fritz Lohr empfahl die Kompressor- und Bi-Turbo Varianten weiter zu verfolgen.
Es folgte ein Vorgespräch zwischen Fritz Lohr und Lotus, das dazu führte, dass Lotus einen zweiten Vorschlag unterbreitete. Ziel war einen ’sehr leistungsstarken Senator mit hohem visuellen Profil zu entwickeln‘ und das ‚Gesamtbild der GME Fahrzeuge aufzuwerten‘. Obwohl es immer noch ein Senator war, unterschied sich die zweite Version erheblich. Die Kompressorvariante wurde zu Gunsten des Bi-Turbos aufgegeben. Lotus sah eine 24 monatige Entwicklungszeit für den Motor vor, doppelt so lang wie Bob Eaton wollte. Neu waren größere Bremsen, angepasstes ABS, Ölkühler und Luftführungen, Auspuff und Kats, Kardanwelle mit Mittellager, geringfügige Änderungen des Fahrzeugbodens zur Aufnahme des neuen Getriebes & des Auspuffes, sowie des Motorraums. Im Auto sollte alles ausgebaut und mit Conolly Leder bezogen werden. Das Außendesign war noch vage, obwohl festgestellt wurde, dass neue Front- und Heckspoiler zur Verbesserung der Luftführung, ein Heckklappenspoiler und möglicherweise neue untere Karosserieformteile benötigt werden. Größter Unterschied der beiden Vorschläge war aber die Stückzahl – von geplanten 2000 Einheiten pro Jahr auf nun nur noch 500 Stück bei einem gleichzeitigen Anstieg der Kosten auf beinahe 5,7 Mio Pfund.
Während Einigkeit beim Performance Ziel ‚100km/h unter 6 Sekunden‘ herrschte, war das Außendesign umstrittener und Lotus Chefdesigner Peter Stevens empfahl einen Lotus Designvorschlag zu verwenden. In der Zeit zwischen November 1988 und Januar 1989 fiel die Entscheidung aus dem Lotus Senator einen Lotus Omega zu machen. Warum dies so lange dauerte, ist unklar. Aber es schien einen Unterschied in der Interpretation zu geben, wofür der Wagen stehen sollte. Opel sah ihn als Hochgeschwindigkeitsluxuslimousine, eine Ergänzung zum Senator, bei dem die Innenausstattung von großer Wichtigkeit war. Für Lotus hingegen waren die drei Eckpfeiler ihrer Konstruktionsphilosophie Fahrverhalten, Handling und Leistung von großer Bedeutung. Egal ob Senator oder Omega, wenn es ein Lotus Emblem trägt, sollte es das Beste sein. Als Opel den Stolz und die Unternehmenskultur bei Lotus verstand, war es logisch den Omega zu verwenden, da es hiervon bereits eine Sportversion Omega 3000 gab. Man glaubte auch, dass der Senator in Europa zu wenige Stückzahlen hatte und der Halo Effekt nur minimal gewesen wäre.
Es ist Januar 1989 und im März 1989 steht der Genfer Salon mit der Präsentation bevor. Die Designabteilung von Wayne Cherry machte sich in Rüsselsheim an die Arbeit, um das Auto zu entwerfen, was in Genf vorgestellt wurde. Das Fahrzeug sollte nicht zu wild aussehen und das urspüngliche Design weiterhin erkennbar bleiben. Sie hatten neue Überlegungen zu Größe und Positionierung der Ölkühler- sowie Lüftführungen für die Bremsen angestellt. Bis hierhin waren die dreiteiligen Felgen und etwas Motor-Styling die einzigen Designinputs von Lotus. Besonderes Merkmal sollte der elektrisch ausfahrbare Heckspoiler sein, der geschwindigkeitsabhängig ausfährt. Die Frontstoßstange bekommt kleine Nebelscheinwerfer. Auch die Farbe wurde bereits festgelegt: British Empiregrün.
Im Februar 1989 war sich das Europa Strategieboard von GM noch nicht sicher, ob der Lotus Omega gebaut wird. Der Lotus Omega wird zur Sensation des Genfer Automobilsalons im März 1989. Die privaten und öffentlichen Reaktionen darauf haben schließlich die Entscheidung für Bob Eaton getroffen. Es sollen 1100 Lotus Omega gebaut werden.
Fahrzeugentwicklung
Das Designkonzept von Wayne Cherry’s Abteilung wurde in Rüsselsheim fertiggestellt. Nun lag es an Lotus alles zum Laufen zu bringen. Die Arbeiten im Windkanal an der Universität Stuttgart begannen im Mai 1989 mit einem Wagen, der nach dem Genfer Design gebaut wurde, und mit allen Komponenten wie Kühler, Ladeluftkühler, Klimaanlage und Ölkühlern ausgestattet war. Ziel der zweitägigen Arbeiten war ein neutraler Auftrieb vorn wie hinten mit möglichst geringem Luftwiderstand und ausreichender Kühlleistung für das große Aggregat. Die Ausgangswerte des Prototypen waren Cd 0.313, Clf 0.024 und Clr -0.024 bei 270lbs Heckauftrieb bei 170 mph. Anpassungen an der Frontstoßfängerlippe und -breite sowie Vergrößerung der Ölkühlerlufteinlässe führten zur Verbesserung der gemessenen Werte. Als Ergebnis der Tests entfielen die Nebelscheinwerfer und der ausfahrbare Heckspoiler wurde durch einen ersetzt, wie er bereits am Lotus Esprit Turbo SE zum Einsatz kam.
Opel wollte die Motorraumoptik in das Fahrzeugdesign integrieren, während Lotus ein funktionierendes Design ausreichte. Gesucht war eine Motorraumoptik ähnlich dem BMW. Eine Motorabdeckung wurde produziert, die praktisch den gesamten Luftstrom im Motorraum gestört und einen Hitzestau produziert hätte. Zwei Turbos erzeugen immense Wärme und Lotus war immer wegen ausreichender Belüftung besorgt. Der Prototyp hatte nur eine seitliche Lufthutze, die sich als ineffektiv herausstellte. Durch Umpositionierung über die Turbos wurde die Belüftung um das Vierfache gesteigert. Aus optischen Gründen wurde eine zweite Lufthutze in die Haube eingesetzt, die aber keine Auswirkung auf die Wärmeabfuhr hat.
Die im Windkanal gesammelten Daten mussten mit dem Verhalten auf der Straße abgeglichen werden. Der Test der Aerodynamik erfolgte im September 1989 auf der Hochgeschwindigkeitstrecke Nardo in Süditalien. Die Ingenieure kamen mit einer Reihe von Erkenntnissen zurück: der Motor wurde zu sehr gekühlt, so dass eine Reihe kleiner Anpassungen an den drei Lufteinlässen durchgeführt wurden. Die wohl größte Anpassung war der Anstellwinkel des Heckspoilers von sechs auf neun Grad. Nach weiteren Tests im Windkanal führten diese Veränderungen zu weiteren aerodynamischen Verbesserungen: Cd 0.308, Clf 0.008 und Clr 0.000. Der Bericht wies besonders darauf hin, dass die Karrosserieanbauteile genau gefertigt sein müssen, da dies sonst einen deutlichen Einfluss auf den Luftwiderstand haben wird.
Aufgrund der immensen Drehmomentanforderungen musste ein Getriebe gefunden werden, das damit umgehen konnte. Das einzige am Markt verfügbare Getriebe war das ZF 6-Gang Getriebe der Corvette ZR1, ohne das es keinen Lotus Omega gegeben hätte. Im Juni 1990 stellt ZF ohne Vorwarnung die Unterstützung für die Entwicklung ein. Sie hatten einen Exklusivvertrag mit Chevrolet zur Lieferung der Getriebe vereinbart. Glücklicherweise schritt GME ein und sicherte die Getriebelieferung.
Das Differenzial kommt von der GM Tochter Holden, die auf der Omega Basis ein getuntes Modell und für Slalomrennen ein passendes Differenzial besitzen. Die Hinterachse wird mit der bekannten Niveauregulierung ausgestattet, um unter allen Fahrbedingungen den richtigen Sturz zu gewährleisten. Die Senator Servotronic wurde zusammen mit ZF so angepasst, dass die Lenkunterstützung ab 100 mph auf 20 Prozent reduziert wird. Die Bremsanlage nach Klasse C Reglement liefert AP zu.
Die 12-fach verstellbaren Recaro Sitze waren zum Leidwesen von Vauxhall abgekündigt, die von Lotus vorgeschlagene rote Instrumentenbeleuchtung wurde gestrichen und ein beledertes Armaturenbrett erwies sich als unpraktisch in der Herstellung. Andere Designthemen verschwanden aus dem Programm. Auch die schweren 3-teiligen Felgen wurden durch Monoblockfelgen ersetzt, da eine Anpassung des Designs erfolglos blieb und gleichzeitig das Fahrzeuggewicht sehr hoch war. Die umstrittensten Themen waren die Positionierung der Antenne, die Lufthutzen in der Motorhaube und die Doppelendrohre. Ein Komitee aus Opel, Vauxhall und Lotus wurde gegründet, um alle Aspekte des Designs, der Entwicklung und dem Marketing zu diskutieren und zu entscheiden. Nach endlosen Diskussionen sollte die Antenne auf den Kofferraumdeckel wandern. Die bündig-eingesetzten Lufthutzen konnten von Rüsselsheim nicht produziert werden und sollen deswegen erhaben auf der Motorhaube montiert werden. Die D-förmigen Doppelendrohre sollten wegen der Geräuschentwicklung durch runde Endrohre ersetzt werden.
Am 18.10.1989 schließlich wurde das finale Design bei einer Vorführung bei Lotus verabschiedet, bei der sich die Komiteemitglieder die Fahrzeuge teils zum ersten Mal live anschauen und fahren konnten.
Im März 1990 wurde das finale Design wieder auf dem Genfer Salon präsentiert und die GM Führungsspitze war vor Ort. Sie waren nicht glücklich und viele Fragen tauchten auf, warum das finale Design vom Prototypen abweicht. Deswegen besuchten Wayne Cherry und Jo Hermann, Chef der Strategischen Planung bei GME, das Lotuswerk im April 1990, um das Auto zu besichtigen und einige Punkte zu richten. Der Pre-Production Lotus Omega wurde bis ins kleinste Detail untersucht. Die Antenne sollte wieder zurück aufs Dach, die teuren Aluminiumendrohre wurden genehmigt und Plastikgrilleinsätze sollten die Metallsteckgitter in der Frontstoßstange ersetzen. Der Motorraum sollte aufgeräumt werden und kam damit nahe an die Optik eines BMW oder Honda NSX heran. Durch die späten Änderungen konnte die Produktion frühestens im Spätsommer 1990 starten und die Vorgabe von Bob Eaton, die Produktion 12 Monate nach Premiere zu beginnen, wird gerissen.
Mitte Mai 1990 wurde die deutsche und britische Typengenehmigung erteilt, während die Schweizer Genehmigung mit Problemen beim Abgastest zu kämpfen hatte. Währenddessen waren weitere GM Märkte auf den Lotus Omega Zug aufgesprungen, was keine weiteren Tests für Typengenehmigungen bedurfte, sondern lediglich mehr Dokumentenarbeit. Um die strenge Schweizer Typengenehmigung zu bestehen, wurde letztlich eine Abgasklappe konstruiert und der Aktivkohlebehälter auf 1,5 Liter vergrößert.
Im Juni 1990 hatte das 50.000 km Testauto bereits 18.000 km abgespult und war im Zeitplan die Erprobung im September 1990 abzuschließen. Bis zum Ende der Fahrzeugentwicklung hat Lotus 35 Motorprototypen und 9 Produktionspiloteinheiten sowie 15 Prototypen und 10 Pilotfahrzeuge hergestellt.